08.05.2020 · Quelle: SWR

Im März infizierten sich bei einer Probe des Berliner Domchors mehr als 50 Mitglieder mit dem Corona-Virus. Experten empfehlen bisher, gemeinschaftliches Singen in Räumen zu vermeiden – auch in Gottesdiensten. Eine Untersuchung der Bundeswehr-Uni München kommt nun aber zum Ergebnis, dass eine Coronainfektion beim Chorsingen "äußerst unwahrscheinlich" sei.

Die Münchner Bundeswehr-Universität in Neubiberg hat das Corona-Infektionsrisiko beim gemeinsamen Singen untersucht. Anhand strömungsmechanischer Experimente kamen die Forscher zum Ergebnis: Es hält sich stark in Grenzen, wie die Uni am Donnerstag, 7. Mai, mitteilte. Bei den Experimenten mit professionellen Sängern habe sich eindeutig gezeigt, dass die Luft beim Singen nur im Bereich eines halben Meters vor dem Mund in Bewegung versetzt werde, unabhängig von Lautstärke und Tonhöhe. Eine Virusausbreitung über diese Distanz hinaus sei „äußerst unwahrscheinlich.”

Singen ist kein Niesen oder Husten

Die Forscher zeigten sich vom Ergebnis wenig überrascht. Schließlich werde beim Singen kein großes Luftvolumen stoßartig ausgestoßen wie beim Niesen oder Husten. Trotzdem sei ein Sicherheitsabstand in einem Chor oder einer Kirche von 1,5 Metern ratsam und eine versetzte Aufstellung der Sänger empfehlenswert, um einer Tröpfcheninfektion vorzubeugen. Für einen sicheren Musikbetrieb seien auch die Raumgröße und eine gute Belüftung wichtig.

Kein Gesangsunterricht und Kirchengesang

Bisher galt das Risiko einer Ansteckung mit Corona-Viren beim gemeinschaftlichen Singen unter anderm nach Ansicht der Deutschen Stimmklinik als besonders hoch. Begründet wurde dies damit, dass es zumeist in geschlossenen Räumen stattfindet und die ansteckenden Tröpfchen beim Singen besonders weit fliegen und tiefer in die Lunge eindringen. Dieser Ansicht folgend ist daher an den Baden-Württembergischen Musikschulen noch kein Gesangsunterricht erlaubt und bei Gottesdiensten der Gemeindegesang in manchen Bundesländern untersagt.

Singt dem Herrn kein neues Lied

Unabhängig von den Ergebnissen der Bundeswehr-Uni darf nach Ansicht des Nagolder Kirchenmusikdirektors Peter Ammer das derzeitge Singverbot für Kirchgänger nicht zur Regel werden. Der evangelische Gottesdienst lebe vom Gesang der Gemeinde, der Teil der Verkündigung ist, sagte der Vizepräsident des Verbandes Evangelischer Kirchenmusiker*innen in Deutschland (VEM) im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst am 5. Mai. "Eigentlich wird ohne Gemeindegesang der evangelische Gottesdienst ad absurdum geführt."
Seit kurzem ist es zwar erlaubt Gottesdienste zu feiern, der Gemeindegesang ist in Baden-Württemberg aber verboten. In anderen Bundesländern ist dies dagegen mit Einschränkungen erlaubt. Natürlich müssten die Hygiene-Regelungen konsequent durchgeführt werden, um eine Ausbreitung des Virus zu verhindern, weiß Ammer. "Und trotzdem führt es bei mir zu Unmut, wenn Bundesländer mit ähnlichen Fallzahlen wie Bayern singen dürfen und wir nicht."

Kirchenmusik ist nicht systemrelevant

Die Kirchenmusiker sahen sich vor Corona als systemrelevant für einen Gottesdienst - und müssen jetzt feststellen, dass sie es nicht sind, ja sogar durch ihre Chorarbeit als systemgefährdend gelten. "Das ist bitter." Außerdem prognostizieren viele, dass sich die Chorlandschaft durch die Pandemie radikal verändern wird. Manche Chöre werden wegbrechen, andere werden ihr Niveau nicht halten können, befürchtet der Kirchenmusiker.

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