Die Carmina Burana von Carl Orff

carminaAm Gründonnerstag des Jahres 1934 erhielt Orff ein Buch, das er kurz zuvor in einem Würzburger Antiquariatskatalog entdeckt und sogleich bestellt hatte: Carmina Burana. Lateinische Lieder und Gedichte einer Handschrift des XIII. Jahrhunderts aus Benediktbeuern, herausgegeben von J.A. Schmeller. Beim Aufschlagen des Buchdeckels fiel Orffs Blick unmittelbar auf die Abbildung der Glücksgöttin Fortuna und die Zeilen O Fortuna / velut luna / statu variabilis. Diese Verse schlugen den Komponisten derart in Bann, dass er sie noch am gleichen Tag in den Chorsatz umformte, der zur Eröffnungsnummer der Carmina Burana und zum berühmtesten Werk des Komponisten werden sollte: O Fortuna. Aber nicht nur diese wenigen Verse wurden zur Initialzündung für Orff. Auch andere regten unmittelbar seine Kreativität an; er entwarf regelrecht im Rausch ein erstes Werkkonzept mit Sing- und Tanznummern, und drei Tage später waren bereits einige Chöre zu Papier gebracht.

Indes kam Orff mit dem mittelalterlichen Codex nicht leicht zurecht und wandte sich deshalb an den Bamberger Archivrat Michel Hofmann. Mit seiner Hilfe gelang es, die Überfülle an Textmaterial zu sichten, geeignete Texte auszuwählen und dramatisch-dramaturgische Strukturen zu schaffen. Allerdings ließ sich Orff bei seiner Komposition nicht von den Neumen leiten, die manchen Gedichten beigefügt waren, sondern ausschließlich vom mitreißenden Rhythmus und der Bildkraft der Gedichte, vom vokalreichen Klang und der sprachlichen Pointiertheit der Dichtung.

Waren die Konzeption und die Komposition der szenischen Kantate auch rasch abgeschlossen, so dauerte es doch bis August 1936, ehe Orff den Schlussstrich unter die Partiturreinschrift zog. Und bis das Werk schließlich die Reise um die Welt antreten konnte, gingen nochmals rund zehn Jahre ins Land. Erst nach 1945 begannen die Carmina Burana ihren internationalen Siegeszug. Orff allerdings war sich schon 1937 der Bedeutung dieser szenischen Kantate für seine Entwicklung klar, denn bereits am Tag nach der Uraufführung schrieb er seinem Verleger: „Mit Carmina Burana beginnen meine gesammelten Werke.“

Quelle: SCHOTT Music

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